Geschichte des Tarot - Teil 1 - Die Entdeckung des Antoine Court de Gébelin
Es war ein ganz normaler Nachmittag in Paris, als Antoine Court de Gébelin (1719 - 1784)
eine Entdeckung machte, deren Tragweite damals noch niemand ahnen konnte. De Gébelin galt
als einer der größten Gelehrten seiner Zeit. Als solcher war er ein häufiger und gern
gesehener Gast in den Pariser Salons der feineren Gesellschaft. Auch an diesem Nachmittag
folgte er einer solchen Einladung. Als er in den Salon geführt wurde, traf er dort auf eine
alte Freundin, die aus der Schweiz zu Besuch gekommen war. Sie hatte ein Kartenspiel
mitgebracht, das de Gébelin bis dahin unbekannt war und welches sie "Tarot" nannte.
De Gébelin war Freimaurer und gehörte der Pariser Loge "Les Amis Réunis" an, zu deren
Mitgliedern auch so berühmte Persönlichkeiten wie Voltaire und Benjamin Franklin, der
längere Zeit als amerikanischer Gesandter in Paris lebte, zählten. Das Hauptziel dieser
Loge war die Wiederentdeckung alter, geheimer Lehren und das Hauptaugenmerk lag dabei auf
dem Alten Ägypten.
Court de Gébelin war nun davon überzeugt, dass das Tarot eine solche Geheimlehre aus dem
Alten Ägypten in verschlüsselter Form enthielt. In den 22 Trumpfkarten sah er eine
versteckte, tiefgründige Symbolik. Fortan beschäftigte er sich intensiver mit den
Tarotkarten und war schließlich überzeugt, ein altägyptisches Weisheitsbuch vor sich zu
haben. Er war der Meinung, dass altägyptische Priester ihre Lehren in Bildern und Symbolen
verschlüsselt hätten. Um diese Lehren zu erhalten und sie vor Uneingeweihten zu schützen,
hätten sie dann diese Bilder als Spiel dargestellt. Im Laufe der Zeit wäre aber der wahre
Sinn der Bilder verloren gegangen, weshalb sie nur noch zum Zwecke des Spiels dienten. Alle
anderen Kartenspiele sollen letztendlich aus diesem Spiel entstanden sein. In dem
französischen Wort Tarot - ausgesprochen: Taró - sah de Gébelin den altägyptischen Begriff
Ta Ro mit der Bedeutung "Königlicher Weg" versteckt. Außerdem glaubte er, dass die 22
Trumpfkarten symbolisch verschlüsselt die Bedeutung der 22 hebräischen Buchstaben
darstellten. Im Jahre 1781 veröffentlichte de Gébelin seine Studien zum Tarot in Band 8
seines mehrbändigen Werkes "Le Monde primitif, analysé et comparé avec le monde moderne"
(Die primitive Welt, analysiert und verglichen mit der modernen Welt).
De Gébelins Überzeugungen haben sich lange gehalten. Als dem französischen Sprachgenie
Champollion im Jahre 1822 die Entzifferung der Hieroglyphen gelang, stellte sich aber
schnell heraus, dass de Gébelin mit seiner Annahme, Ta Ro bedeute "Königlicher Weg", falsch
lag. Trotzdem glaubte man weiterhin, dass das Tarot auf ein verschlüsseltes Weisheitsbuch
aus dem Alten Ägypten zurückgehe. Daneben wurde sein Ursprung aber auch in Babylon, in
Arabien, in Palästina, im alten Indien, bei den Kelten oder bei den Zigeunern vermutet.
Auch die legendären Tempelritter geraten immer wieder in Verdacht, die "Erfinder" des
Tarot gewesen zu sein, bzw. die Karten nach Europa gebracht zu haben. Für keine dieser
Annahmen haben sich jedoch letztendlich konkrete Anhaltspunkte finden lassen. Tatsache ist,
dass der Ursprung des Tarot im Dunkeln liegt.
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Viele Tarotforscher gehen heute davon aus, dass das Tarot aus einfachen Spielkarten
entwickelt wurde. Einige sehen die Geschichte aber auch genau umgekehrt. Wie Court
de Gébelin glauben sie, dass das Tarot die ursprüngliche Form darstellt und die Spielkarten
durch das Weglassen der 22 Trümpfe entstanden sind. Tatsache ist, dass die ersten
nachweislichen Spuren einer Existenz von Spielkarten keine verlässliche Aussage über
diesen strittigen Punkt erlauben. Aufgrund der offensichtlichen Ähnlichkeit der Kleinen
Arkana mit normalen Spielkarten, gilt in Fachkreisen aber ein gemeinsamer Ursprung
inzwischen als unbestritten. Uneins ist man sich jedoch über die Ursache, die zur
Entstehung der Karten führte. Gab es religiöse und/oder mystische Gründe, welche heute
verloren sind? Die Karten wären nicht der erste Fall in der Geschichte, in welchem ein
Spiel aus religiösen Ursprüngen entstanden ist. Bekanntestes Beispiel hierfür dürfte das
altägyptische Senet-Brettspiel sein. Oder war es vielleicht doch einfach nur der ganz
profane Spieltrieb, der zur "Erfindung" der Karten geführt hat?
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